Bevor eine gezielte Therapie bei Schulterschmerzen in Erwägung gezogen wird, ist eine präzise Diagnose von entscheidender Bedeutung. Ein charakteristisches Merkmal und gleichzeitig eine Herausforderung bei Schultererkrankungen ist, dass viele verschiedene Erkrankungen ähnliche Symptome hervorrufen können. So kann ein Sehnenriss, etwa der Supraspinatussehne, ein breites Spektrum an Symptomen verursachen – von klinisch unauffällig, also ohne spürbare Beschwerden, bis hin zu einer vollständigen Bewegungseinschränkung des Arms. Auch Erkrankungen wie die Kalkschulter werden oft fälschlicherweise als Impingementsyndrom diagnostiziert und umgekehrt.
Bei der Diagnose von Schultererkrankungen spielt die Bildgebung durch Verfahren wie Ultraschall oder Röntgen eine zentrale Rolle, da sie eine direkte und umfassende Einsicht in die betroffenen Strukturen ermöglicht. Obwohl klinische Schultertests, die während einer körperlichen Untersuchung durchgeführt werden, wertvolle Hinweise auf die Ursache der Beschwerden geben können, stoßen diese Tests häufig an ihre Grenzen. Sie bieten zwar eine erste Orientierung und können den Verdacht auf bestimmte Erkrankungen wie Sehnenrisse, Impingement-Syndrom oder eine Kalkschulter lenken, jedoch können sie keine definitive Diagnose liefern. Ohne den Einsatz von Bildgebungsverfahren besteht das Risiko von Fehldiagnosen, was zu einer ungenauen oder sogar falschen Behandlung führen kann.
Die Symptomüberschneidungen erschweren selbst erfahrenen Fachärzten die Diagnose, weshalb die Expertise von Spezialisten besonders gefragt ist. Viele Patienten gehen davon aus, dass herkömmliche Röntgenaufnahmen mittlerweile veraltet sind, jedoch liefern sie nach wie vor entscheidende Informationen auf nur einem Bild. In unserer Praxis kommen häufig Patienten mit MRT-Bildern (Magnetresonanztomographie), ohne dass zuvor eine Röntgenuntersuchung durchgeführt wurde. Oft ist die Überraschung groß, wenn trotzdem Röntgenbilder angefertigt werden. Der Grund dafür ist, dass Röntgenaufnahmen das gesamte Schultergelenk mitsamt aller seiner knöchernen Strukturen auf einem Bild abbilden. Kein anderes Untersuchungsverfahren kann so viele Informationen zu Fehlstellungen, Verschleißerscheinungen und der Knochensubstanz in einer einzigen Aufnahme bieten.
Auch wenn Weichteile wie Sehnen auf Röntgenbildern nicht direkt sichtbar sind, kann ein erfahrener Schulterspezialist anhand von Veränderungen am Knochen oder der Gelenkstellung Rückschlüsse auf Sehnenrisse ziehen. Besonders bei der Diagnose der Kalkschulter wird oft unnötig auf die MRT zurückgegriffen, obwohl die Kalkherde in der Sehne auf den MRT-Bildern nur schwer oder gar nicht zu erkennen sind. Röntgenaufnahmen sind in diesem Fall wesentlich präziser und liefern verlässlichere Ergebnisse.
Insgesamt bleibt die Röntgendiagnostik, trotz moderner bildgebender Verfahren, ein unverzichtbares Werkzeug, das gerade in der Schulterdiagnostik oft unterschätzt wird. Sie ermöglicht eine umfassende Beurteilung des gesamten Gelenks und liefert wertvolle Hinweise, die für eine erfolgreiche Behandlung entscheidend sein können.